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Ökumenischer Vortragsabend –

Sehr gut besucht war der Vortrag im Pfarrsaal des Ökumenischen Zentrums, zu dem der Freundeskreis in Kooperation mit der Katholischen Akademie Domschule eingeladen hatte. Professorin Veronika Hoffmann, Theologin an der Universität Siegen, referierte zum Rechtfertigungspapier der beiden großen Kirchen, dessen Text im Jahre 1999 verabschiedet wurde und zumindest theologisch die Gräben zwischen den Konfessionen überwunden hat.

„Es handelt sich um einen Expertentext", gab die katholische Theologin zu, der einer Übersetzung bedürfe. Entscheidend seien aber jeweils die Passagen, die das Gemeinsame zwischen Katholiken und Lutheranern betonten und nicht das, was als Differenz bliebe. „Wer den Text selbst einmal liest, sollte besonders auf die Verben achten", empfahl die Professorin; vieles würde sich dann nahezu automatisch erschließen.

„Wer ist Gott für uns?", war der Vortrags- und Diskussionsabend überschrieben. Im Zusammenspiel mit der Rechtfertigungslehre ergebe sich ein Problem in historischer Hinsicht. Luther, so die Theologin Hoffmann, habe bekanntlich die Frage umgetrieben, wie er einen gnädigen Gott fände. Seine Erkenntnis: Gottes Gnade muss der Mensch sich nicht erst verdienen, sie ist ihm immer schon zugesagt. Heute stelle sich für viele Menschen die grundsätzlichere Frage nach der Existenz Gottes selbst, bevor sie überhaupt auf die Idee kämen, nach einem gnädigen Gott zu fragen. Die theologische Spitzenaussage „Wir sind Sünder, Gott ist gnädig!", habe eine Gewichtsverschiebung erfahren, weil es nicht mehr um den gnädigen Gott, sondern um die allgemeine Ablehnung des Sünderseins gehe. Warum ist der Mensch Sünder, und was hat das mit Gott zu tun?

Hoffmann war methodisch und didaktisch auf wohltuende Weise anzumerken, dass sie es in ihrer akademischen Praxis hauptsächlich mit jungen Studentinnen und Studenten zu tun hat, die sich auf den Lehrerberuf vorbereiten. Theologisch komplexe Denkmodelle hat sie bildreich übersetzt und dadurch ihrem aufmerksamen Publikum sehr gut nahebringen können. „Sünde" dürfe beispielsweise gerade nicht allein als moralische Verfehlung durch einzelne Taten verstanden werden, sondern als ein strukturelles Grundphänomen menschlichen Lebens in Beziehungen. Erst so würde auch klar, was Sünde überhaupt mit Gott zu tun habe. Hoffmann erinnerte an das Wort Luthers vom „in sich verkrümmten Menschen" und verwies auf die gestörten Beziehungen zwischen Menschen und zwischen Mensch und Gott. Man müsse gut unterscheiden zwischen Sätzen wie „Du bist gut, so wie du bist" und „Ich nehme dich an, so wie du bist". Der erste Satz sei aus christlicher Sicht schlichtweg falsch, so schön er auch klingen mag. Biblisch stünde dafür etwa die Geschichte von der Ehebrecherin. „Jesus macht die Sünde nicht klein, sondern nimmt sie und damit den Menschen ernst und ermöglicht so Umkehr." Der abschließende Satz Jesu, der oft in Predigten weggelassen werde, sei entscheidend: „Geh und sündige von nun an nicht mehr" (Joh 8,11).

Der Mensch wisse selbst, dass er und seine Welt nicht einfach in Ordnung seien, sondern auf Vollendung hofften. Heilsgewissheit sei das Vertrauen auf einen von Gott gelegten tragenden Grund, auf dem wir als Menschen unseren Weg gehen, auch wenn dieser nicht immer gerade verläuft. Wer das begriffen habe, müsse nicht erst gute Werke vollbringen, um sich die Liebe Gottes zu verdienen; die guten Werke seien dann die Frucht dieses Vertrauens auf und in Gott.

Viele Anmerkungen und Fragen kamen aus dem Publikum und stellten auch zu sehr aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen eine Verbindung her.

Im Namen des Freundeskreises dankten Theo Kellerhaus, Pfarrer Dr. Harald Fritsch und Pfarrer Christoph Lezuo der Referentin für ihren engagierten Vortrag. „Sie sind damit zu einem Teil unseres 40-jährigen Jubiläums im Ökumenischen Zentrum Lengfeld geworden", würdigte Theo Kellerhaus den abendlichen Beitrag zum Rechtfertigungspapier.

Sebastian Schoknecht

Die Referentin:

Veronika Hoffmann, *1974 in Darmstadt, Professorin am Seminar für Katholische Theologie der Universität Siegen
Literatur: Skizzen zu einer Theologie der Gabe: Rechtfertigung - Opfer - Eucharistie - Gottes- und Nächstenliebe, Freiburg (Herder) 2013.

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